Der DGV ist doof!?

Danke – da ich jetzt Eure Aufmerksamkeit habe, will ich auch mal meine Meinung zur Golf-Entwicklung in den Raum werfen. Mitte Januar hat der DGV die jährlichen Entwicklungszahlen zum Golf veröffentlicht, die auf den ersten Blick nicht allzu gut erscheinen. Natürlich ist ein Rückgang der organisierten Golfer erst einmal nicht schön, aber dazu gleich mehr.

Es ist richtig und sinnvoll, sich damit kritisch auseinander zu setzen – das machen zum Glück einige auch sehr sachlich und gut. Was mich persönlich viel mehr wurmt sind die Schlauberger, die fast reflexartig aus ihren Löchern kriechen, die genauen Gründe kennen (natürlich schon immer kannten) und scheinbar die Weisheit mit Löffeln gefressen haben.

Ein paar besondere Spezialisten wissen sogar, dass es eigentlich noch viel schlimmer ist und dass sich „die alten Herren beim DGV“ nur von „unserem Geld“ die Taschen füllen. Da wird gefaselt von nagelneuen BMW X5 für die Sekretärin und was habe ich nicht noch alles für ein hohles Geschwafel gelesen. Die einhellige Meinung ist: „Der DGV ist doof!“

Das glaube ich nicht.

Nun kann ich rein menschlich dieses destruktive Denken nachvollziehen. Wer negativ denkt, hat genau zwei Optionen, wie die Sache für ihn ausgeht, und beide sind „positiv“:

Entweder stellt es sich als wirklich schlimm heraus und er wird in seiner negativen Meinung bestätigt – das macht glücklich. Oder aber er hat Unrecht und wird positiv überrascht – das macht auch glücklich.

Aber: Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, dass „denen da oben“ die Entwicklung egal ist. Oder die Meinung der Golfer in Deutschland. Eine „die da oben und wir da unten“-Denke halte ich grundsätzlich für absoluten Nonsens.

Funktionäre werden nicht ins Präsidium hineingeboren – das ist keine Erbmonarchie. Ich finde es absolut vermessen, als Außenstehender ohne tatsächlichen Einblick in und Kenntnis von Verbandsarbeit solch hanebüchene Dinge zu äußern.

Allerdings gehöre ich auch zu den scheinbar wenigen Verrückten, die positiv denken. Natürlich verkenne ich nicht, dass einiges besser laufen könnte, aber sollte man wirklich deshalb gleich alles abqualifizieren?

Wie soll aus so einer schlechten Stimmung ein positives Ergebnis entstehen? Deshalb hier (m)ein Plädoyer für eine positive Sichtweise – auch was die Golfer-Zahlen in Deutschland angeht.

Worum geht es nochmal?

Wie schon erwähnt hat der DGV jüngst die Entwicklungszahlen für 2018 präsentiert und dabei von Stabilität gesprochen. Die Zahlen der in Clubs organisierten Golfer ist im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken (um rund 0,4 Prozent oder etwa 2.700 Golfer) – bei einer Gesamtzahl von rund 642.000 Golfern insgesamt wohlgemerkt.

Schaut man sich die unterschiedlichen Altersgruppen an, dann ist der größte Verlust bei den Golfern im Alter von 41-50 Jahren zu verzeichnen. Aber auch bei den ganz jungen Golfern unter 18 gibt es einen leichten Nettorückgang. Die stärkste Altersgruppe bleiben die über 50 jährigen Golfer. Rund ein Drittel aller Golfer ist sogar über 60 Jahre alt.

Golf ist ein Sport für viele, aber eben nicht für alle

Dass Golfer im Schnitt älter sind finde ich persönlich nicht sonderlich überraschend. Golf ist keine „billige“ Sportart, auch wenn es natürlich viele günstige Möglichkeiten gibt, Golf zu spielen.

Trotzdem muss man schon bereit sein, eine gewisse Summe auszugeben. Netflix kostet nur um die 10 Euro im Monat und selbst die Mitgliedschaft im Fußball- oder Schwimmverein ist eher billig zu haben.

Vor allem aber ist Golf zeitintensiv – und das in einer Zeit, in der die zu verteilende Freizeit eher ab- als zunimmt. Noch nie war die „Aktivitätenkonkurrenz“ so groß wie heute.

Da finde ich es nur naheliegend, dass vor allem jemand nach dem aktiven Berufsleben unseren Sport ausübt – weil jetzt mehr Freizeit zu verteilen ist. Das kann man schlecht finden oder nicht, es ändert aber nichts an den Tatsachen.

Aber natürlich sollte man sich auch beim DGV weiter Gedanken zu Lösungen dieses Problems machen. 9-Loch-Turniere sind nicht umsonst immer beliebter geworden, Versuche mit anderen Spielformaten gibt es ja auch schon.

Was kann man Positives heraussuchen?

Ich tendiere wie schon erwähnt dazu, in allem das Positive zu suchen. Einerseits liefert dieser Weg die eine oder andere Erkenntnis, zum anderen glaube ich, dass man auch so zu möglichen Lösungen kommen kann. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Hier also einmal ein paar positive Rosinen, die man sich herauspicken kann – wenn man denn positiv denken möchte:

Teil-Erfassung von Golfern

In den präsentierten Entwicklungszahlen sind die Golfer erfasst, die in einem Club als Mitglied geführt werden. Mitglieder des DGV sind ja nicht wir Golfer, sondern die Golfclubs und -Anlagen. Die haben übrigens im Rahmen einer Befragung ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung als überwiegend positiv bewertet.

Über die tatsächliche Zahl von Golfern (also „freie“ Golfer ohne Clubmitgliedschaft, Crossgolfer, Minigolfer und andere Golfoide) können leider keine exakten Zahlen vorgelegt werden.

Schätzungen, Umfragen und Hochrechnungen gehen – je nach Quelle und Interpretation – von etwa 1,5 bis 2,5 Millionen aus. Das liest sich schon ein bisschen anders. Fraglich bleibt vor diesem Hintergrund dann nur, wie nützlich solche Zahlenspiele überhaupt noch sind. Das gilt natürlich auch für das Aufregen über deren Entwicklung…

Das Verbandsrating

Mit „unseren“ Mitgliederzahlen von 642.000 Clubmitgliedern liegt der DGV an achter Stelle eines Rankings aller olympischen Sportverbände im DOSB.

Ganz oben thront – wie sollte es anders sein – der Deutsche Fußballbund mit über 7 Millionen Aktiven. Danach kommen die Turner mit knapp 5 Millionen Vereinsmitgliedern.

Beim Kampf um die Bronzemedaille haben die Tennisspieler mit etwa 1,4 Millionen knapp die Nase vorn gegenüber den Schützen mit 1,35 Millionen. Es folgen die Leichtathleten, Handballer, die Reiter – und dann schon „wir“.

Der achte Platz ist dem Golf relativ sicher. Hinter uns „lauern“ die Schwimmer, haben aber schon einen Abstand von fast 80.000 Aktiven. Auch Tischtennis-, Ski- oder Volleyball-Verband dahinter sind keine Gefahr. Nach vorne geht allerdings auch nicht viel – zu den Reitern auf Platz sieben fehlen über 40.000 Mitglieder.

Warum stellt sich eigentlich niemand hin und sagt voller Stolz: wir sind die achtbeliebteste Sportart in Deutschland – nimm das, Du Nörgler! 😉

Der Vergleich mit den anderen Sportarten

Ich hatte schon geschrieben, dass die Freizeitkonkurrenz noch nie so groß war wie heute. Das trifft nicht nur den Golfsport, sondern fast alle Sportarten. Schauen wir uns also einmal die anderen an, mit denen wir Golfer in „direkter“ Konkurrenz stehen – bei vielen sieht es nicht allzu rosig aus:

  • Der Fußball ist in Deutschland nach wie vor das Nonplusultra, seit Jahrzehnten wachsen die Mitgliederzahlen. Was so ein paar Weltmeistertitel alles wert sind…
  • Die Turner auf Platz zwei hatten ihren Mitgliederzenit Anfang/Mitte der 2000er Jahre. Seitdem stagniert die Entwicklung beziehungsweise gibt es leicht rückläufige Zahlen.
  • Beim Tennis sinken die Mitgliederzahlen Jahr für Jahr massiv, der Höhepunkt stammt noch aus Zeiten von Boris Becker und Steffi Graf. In den letzten 20 Jahren hat der Deutsche Tennisbund über ein Drittel seiner Mitglieder verloren.
  • Auch die Mitgliederzahlen bei den Schützen sind langfristig rückläufig, der Höhepunkt ist auch gut 20 Jahre her. Seitdem geht es langsam aber stetig bergab (von 1998 zu heute um rund 15 Prozent).
  • Die meisten Mitglieder bei den Leichtathleten gab es 2006 mit knapp über 900.000 – seitdem geht es abwärts, inzwischen sind es fast 100.000 weniger.
  • Handball in Deutschland ist relativ stark, aber auch hier sah es schon besser aus. Vor zehn Jahren waren es noch knapp 85.000 Mitglieder mehr, zuletzt hat sich die Entwicklung zumindest wieder stabilisiert.
  • Kosten- und zeitmäßig ist der Reitsport noch am ehesten mit Golf vergleichbar. Seit mindestens zehn Jahren ist hier die Mitgliederzahl schon rückläufig, knapp zehn Prozent weniger sind es in dieser Zeit.

Und beim Golf? Da haben wir in 2018 das erste Mal überhaupt ein Jahr mit einem Minus vor der Mitgliederentwicklung. Aber: In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der in Clubs organisierten Golfer verdoppelt. Verdoppelt! Das schafft selbst König Fußball nicht einmal ansatzweise.

Der beliebte – und unsinnige – Vergleich mit den USA

„In Amerika ist Golf Volkssport“, ist eine sehr beliebte Aussage, die ich nicht widerlegen kann. Sie bringt aus meiner Sicht nur überhaupt nichts. Der Vergleich ist weder fair noch sinnvoll.

Unterschiedliche Mentalitäten, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Voraussetzungen und vieles mehr machen das schlicht unmöglich. Das wäre Äpfel mit Birnen vergleichen – oder besser gesagt Bratwurst mit Burger.

Machen wir uns trotzdem einmal den Spaß und amerikanisieren wir den Vergleich:

Die wichtigsten Sportarten in den USA sind

– American Football
– Baseball
– Basketball und
– Eishockey.

Und Golf, versteht sich, der allseits beliebte Volkssport. Wie sieht es also mit den „Big Four“ bei uns aus?

In Sachen Mitgliederzahlen haben die deutschen Basketballer mit rund 210.000 knapp ein Drittel der Vereins-Mitglieder, die wir Golfer in Deutschland haben. American Football (63.000), Baseball (22.600) und Eishockey (20.500) kommen zusammen gerade einmal auf etwa ein Sechstel unserer Zahlen.

Ihr könnt mich gerne auslachen, aber wir sollten stolz darauf sein, wie stark Golf in Deutschland ist – die mit großem Abstand stärkste US-Sportart. Ha!

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass die Zahl der Golfer in den USA schon seit Jahren rückläufig ist? Also kurz gesagt: amerikanische Verhältnisse sind aus meiner Sicht nicht erstrebenswert.

Vielleicht ist der Zenit erreicht

Die Statistik der organisierten Golfer wird in Deutschland seit 1951 geführt. Seitdem sind die Zahlen von Jahr zu Jahr angestiegen und jetzt – nach fast 70 Jahren –  ist diese Entwicklung also zum Erliegen gekommen. Die Zahlen pendeln sich ein und verändern sich seit ein paar Jahren nur noch im Null-komma-irgendwas-Prozentbereich.

Vielleicht müssen wir einfach nur endlich einsehen, dass wir die Spitze erreicht haben. Und ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, wieso immer wieder von dauerhaftem Wachstum ausgegangen werden muss?

Ja, natürlich ist es ärgerlich, wenn junge Menschen anderen Sportarten gegenüber offener sind oder sich gänzlich anderen Freizeitbeschäftigungen widmen.

Aber mal ganz ehrlich, wie viele von uns Golfern haben denn als Kind schon angefangen. Ich schätze, das wird nicht die Mehrzahl sein. Ich selbst habe (leider) erst mit Mitte 40 Golf für mich entdeckt.

Übrigens versuche ich seitdem, meine beiden Kinder dafür zu begeistern – bisher ausgesprochen erfolglos. Heutzutage mit drölfzehn anderen Aktivitäten, einer schier unendlichen Onlinewelt, Bibi, Barbie und der Pubertät zu konkurrieren ist alles andere als einfach.

Eine ungeklärte Frage zum Schluss

Nach den Erkenntnissen des DGV gab es 2018 einen Nettoverlust von 2.700 Golfern – aber einen Bruttoverlust von rund 50.500 „Aufhörern“. Das führt mich zu zwei Erkenntnissen:

Quelle: DGV

Erstens sollten wir uns freuen, dass es offensichtlich (in den letzten Jahren waren es sehr ähnliche Zahlen) immer noch jährlich fast 50.000 Menschen gibt, die sich „neu“ dafür entscheiden, Mitglied in einem Golfclub zu werden.

Diese Zahl finde ich persönlich extrem positiv. Grob gerechnet ist das ein Bruttozuwachs von 8 Prozent – von solchen Ergebnissen träumen viele andere nur.

Zweitens frage ich mich in solchen Fällen vor allem aber etwas ganz anderes – und eine Antwort darauf habe ich noch nie gelesen (leider auch beim DGV nicht). Wieso verlieren wir aber auch Jahr für Jahr rund 50.000 Golfer? Also genauer gesagt: was sind die Gründe dafür und was könnte man gegen diese Erosion machen?

Vorschlag zu Güte

Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, Schuldzuweisungen in die zweite Reihe zu schieben und gemeinsam intensive Ursachenforschung zu betreiben.  Unabhängig von allen bestehenden Vorurteilen und vermeintlichen Imageproblemen.

Da kann übrigens jeder Golfclub vor Ort mitmachen: fragt doch einfach einmal nach, warum jemand die Mitgliedschaft kündigt. Ich könnte mir vorstellen, dass eine solche Information sehr wertvoll sein kann – für den Verein selbst und für den DGV als Dachverband.

Übrigens wird in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht eine andere Sache auch immer wieder gerne vernachlässigt, wenn es um die Gewinnung neuer Golfer geht:

Wir aktiven Golfer haben trotz der vermeintlichen „Hürden“ zum Golf gefunden. Sind wir also härter als alle anderen? Oder genügsamer? Das kann ich für mich auf jeden Fall verneinen.

Und was das Thema Image angeht: Das haben wir alle selbst in der Hand. Arroganz wird uns unterstellt, fehlende Lockerheit und was weiß ich nicht noch alles.

Ja, das gibt es sicher auch bei dem einen oder anderen noch. Und ja, der eine oder andere Club pflegt so etwas sicher auch noch. Aber wir, die wir nicht so sind, werden doch immer mehr – wir müssen es nur machen.

Schnappt Euch Freunde, Kollegen, Kumpels oder Nachbarn und zeigt ihnen, dass Golf anders ist, als sie denken. Das ist Arbeit, aber sie lohnt sich!

 

Bildnachweis: Bildquelle aller Bilder/Grafiken, soweit nicht anders angegeben, ist pixabay.com

5 Kommentare

  1. Der DGV kann nur umsetzen was die Mitglieder, also die Clubs, absegnen. Der Versuch der Ananlyse des Schwunds soll über eine neu Software erfolgen: Players1st. Habe auch eine Bericht zur PK geschrieben: https://www.stuttgart-golf-community.de/2019/01/20/dgv-jahres-pressekonferenz-in-stuttgart/
    Ein großes Thema ist aus meiner Sicht auch die bisher nicht analysierte Abwanderung in Fern- bzw. günstige Mitgliedschaften. Da verlieren die Clubs einiges an regulären Mitgliedschaften, ohne würden aber viele ganz rausfallen.

  2. Hallo, Heidegolfer!
    Sehr gute Analyse! Und genau diese Frage beschäftigt mich auch – weil diese Altersklasse ja die ‚Zukunft‘ des Sports darstellt.
    Als ich letztes Jahr meinen Club gewechselt habe, wurde mich im übrigen genau diese Frage gestellt: warum wechselst du/hörst du auf?.
    Und da kommt das Problem des DGV wieder hoch: der DGV ist der Verband der Clubs! Auch wenn sich der Verband gerne anders sieht. Und die Clubs (die ja auch sehr heterogen sind) lassen doch den Verband oft genug im Stich – die Interessen sind zu unterschiedlich. Ob MitgliederClub, Betreíbergesellschaft, ….. man ist sich oft nicht grün. Was man auch immer wieder bei den Verbandstagen sieht. Man denke nur an die immerwährende Diskussion zur VCG.
    Trotzdem werde ich weiter Golf spielen, mich freuen und ärgern und auf den DGV schimpfen – mit einem Grinsen auf den Lippen 😉

  3. Hallo Heidegolfer,
    ich würde mich gern mal mit dir und noch jemanden in meinem Podcast zu diesem Thema und über ein paar Fakten und deren Bewertung die du hier aufgeschrieben hast, unterhalten.

    Ich würde mich sehr freuen wenn du da Interesse hast.

    Bis denne

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